Kampagne „Mein Baum – meine Stadt“ durchbricht Spenden-Schallmauer von 1 Mio. € – Marketing-Ausgaben unter Grünen-Leitung nicht abschließend dokumentiert
Die seit knapp 10 Jahren laufende Spendenkampagne hat die Schallmauer von 1 Mio. EUR durchbrochen.
Allerdings gibt es hohe Verwaltungskosten und auch das Prozedere hat sich die eine oder andere spendende Person sicher anders vorgestellt.
Mehr Transparenz ist hier angezeigt.
Auch sollten öffentliche Unternehmen von Spenden absehen.
War und ist das Programm trotzdem ein Erfolg? Ja! Die Hamburger und Hamburgerinnen wurden über Straßenbäume sensibilisiert und so konnten die Senate seit 2011 auch erfahren, dass den Bürgern und Bürgerinnen Stadtbäume am Herzen liegen.
Aus meiner Sicht sollte das Programm weiter ausgebaut werden. Durch die Pflanzung von einem eigenen Baum – bspw. vor der eigenen Tür – identifizieren sich für Bürgerinnen und Bürger mit dem Baum und übernehmen manchmal sogar die Pflege, welche häufig von der Stadt unzureichend erfolgt.
Worum geht es bei der Kampagne?
2011 ging das Programm „Mein Baum – Meine Stadt“ an den Start – im Jahr, in dem Hamburg Stockholm als „Europas Umwelthauptstadt des Jahres“ abgelöst hatte.
Das Prinzip: Bürger und Bürgerinnen spenden 500 Euro für einen Straßenbaum, entweder selbst ausgewählt oder allgemein für die Aktion. Wenn die Summe für einen Baum erreicht ist, zahlt die Stadt die restlichen Kosten. Ein Straßenbaum kostet nach Angaben des Senats im Durchschnitt 1.500 Euro.
1 Mio. EUR für den grünen Schattenspender vor der Haustür
Seit 2011 sind über 1.000.000 Euro an Spendengeldern von Privatleuten, Vereinen, Initiativen, privaten und städtischen Unternehmen zusammengekommen (Drs. 21/1323, 22/2823, 22/3778).
Wie die Umweltbehörde in einer eigenen Publikation selbst treffend festgestellt hat, ist damit bewiesen, dass den Hamburgern und Hamburgerinnen die Bäume vor ihrer Tür viel bedeuten. Sie waren angesichts knapper Kassen der Stadt Hamburg dazu bereit, selbst Geld dafür zu spenden, was eigentlich Aufgabe der Verwaltung und der Politik ist.
Teilweise durften Bürger und Bürgerinnen bei Pflanzaktionen sogar selbst Hand anlegen. Die Identifikation mit der Stadt und mit lokalen Umweltthemen hat so sicherlich noch zugenommen. So gesehen war die Aktion innerhalb der knappen zehn Jahre bis jetzt ein Erfolg.
Mit harten Fakten wurde allerdings bis jetzt gespart. Daher habe ich eine Anfrage zu diesem Thema gestellt.
Spenden von öffentlichen Unternehmen
Es ist fraglich, ob städtische Unternehmen Spenden für Kampagnen dieser Art geben sollten. Letztlich ist es ein Nullsummenspiel, da diese Spenden von der Stadt auf die eine oder andere Art wieder ausgeglichen werden müssen. So ist bspw. weniger Geld im Haushalt für Stadtbäume vorhanden. Das ist also eher als PR zu verstehen.
Drs. 22/4198:
Hamburg Port Authority (AöR): 2.000 €
WERT Wertstoff-Einsammlung GmbH: 2.000 €
Universität Hamburg: 10.000 €
Flughafen Hamburg: 1.500 €
Hamburg Energie 2017 60.000 EUR, zusammen also 75.500 EUR
21,8 Prozent Kosten in Relation zu den Spendeneingängen
Der heutige Umweltsenator und damalige Bürgerschaftsabgeordnete Jens Kerstan hat durch seine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 20/2495 schon ermittelt, dass 2011 für eine externe Agentur 127.000 Euro aus Mitteln der damals sogenannten Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt ausgegeben wurden.
Die Ausgaben der Kampagne schlüsseln sich wie folgt auf:
2011: Werbung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Hamburger Agentur BKM den Zuschlag für Zuarbeiten für Presse- und Öffentlichkeitsarbeiten mit einem Umfang von 127.000, externer Fotograf mit einem Auftragsvolumen von 5.800 Euro Drs. 20/2495
Flyer und Plakate: 2012: 3.034 EUR, 2013: 2.765 EUR
2012 bis 2014 sind jeweils 7.616 Euro für die Fortschreibung der interaktiven Baumdatenbank = 22.848 EUR
Spenden- und Spenderbetreuung (an die Loki-Schmidt-Stiftung):
– 2012: 4.190 EUR
– 2013: 5.389 EUR
– 2014: 5.196 EUR (Drs. 21/1323)
Seit 2015 sind für die Spenden- und Spenderbetreuung 2.597 € (2015), 5.939 € (2016), 11.794 € (2017), 5.896 € (2018), 9.758 € (2019) sowie 7.662m € (2020) an die Loki Schmidt Stiftung gezahlt worden. (Drs. 22/4198)
Gesamtkosten also: 219.868 EUR
Gesamteinnahmen:
Drs. 21/1323:
– 2011: 300.402 EUR
– 2012: 44.400 EUR
– 2013: 72.390 EUR
– 2014: 65.368 EUR
Drs. 22/2823:
– 2015: 36.917 EUR
– 2016: 66.416 EUR
– 2017: 162.242 EUR
– 2018: 79.712 EUR
– 2019: 103.079 EUR
Drs. 22/3778:
– 2020: 76.620,44 Euro
Gesamt von 2011 bis 2020: 1.007.546 EUR
Prozentuale Kosten: 21,82 Prozent
Im Vergleich zu gemeinnützigen Nichtregierungsorganisationen, die das anerkannte DZI-Spendensiegel tragen, ist der Wert vertretbar. Hier dürfen die Werbe- und Verwaltungsausgaben höchstens 30 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben liegen. Die Kosten wurden zudem nicht von den Spendeneinnahmen bezahlt, sondern aus anderen Haushaltstiteln.
Allerdings könnten die Ausgaben für die Kampagne noch höher liegen, da die Daten laut meiner Anfrage nicht statistisch ausgewertet worden sind. Dies überrascht, da diese, als die Umweltbehörde noch von der SPD geführt wurde, noch vorlagen. Unter der Grünen-Führung wurde diese Nachvollziehbarkeit offensichtlich eingestellt.
Es ist zudem dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin herzlich egal, aus welchem Haushaltstitel die Kosten bezahlt worden sind. Was jedoch auch erwähnt werden muss: Ohne die städtischen Investitionen in Marketing wären auch keine Spenden generiert worden. Straßenbäume wären auch weniger im Fokus der Öffentlichkeit gewesen.
Freie Standorte wurden und werden auch ohne Spenden bepflanzt
Interessant ist vor allem, ob private Spendengelder tatsächlich den Ausschlag für das Anpflanzen eines Straßenbaumes an einem freien Standort gegeben haben oder ob diese Aufgabe auch ohne die Spendengelder durchgeführt wird. Die These war und ist, dass ein Baum, der auf der virtuellen Karte für Baumstandorte verzeichnet ist, erst 500 EUR Spendengelder einwerben muss. Den Rest würde dann die Stadt bezahlen.
Das ist unwahr. Der Senat antwortet auf meine Anfrage 22/4198 dazu Folgendes:
„Auf der interaktiven Spenderkarte stehen potentiellen Spendern regelhaft bis zum Ende der folgenden Pflanzsaison Standorte zur Verfügung. Nach der Pflanzsaison erfolgt der Umbruch auf die nächste Kampagne. Unabhängig vom Zeitpunkt des Spendeneingangs werden durch die Bezirksämter ressourcenabhängig auf freien und geprüften Baumstandorten Nachpflanzungen vorgenommen. Dies erfolgt nicht einzelstandortbezogen, sondern regelmäßig im Rahmen größerer, gebündelter Auftragsvergaben.
Die Höhe der Spendeneingänge hat keinen Einfluss auf die Höhe der bereitgestellten Haushaltsmittel und deren Verteilung auf die Bezirksämter. Minderungen finden nicht statt.“
Wie viele Bäume wurden gepflanzt?
671 Bäume konnten rein durch die Spendenmittel gepflanzt werden, wenn von den Durchschnittskosten pro Straßenbaum von 1.500 EUR pro Baum ausgegangen wird. Diese Zahl ist unter anderem in Drucksache 22/2823 genannt. Der Senat spricht, unter Berücksichtigung von teilbespendeten Bäumen, von insgesamt 2.027 Bäumen (Stand November 2020).
Laut Senat werden die durch Spenden mitfinanzierten Bäume nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen Ersatzpflanzungen gezählt.
Aktuelle Anfrage: 22/4198