Die Grünen in Hamburg fordern eine Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst, doch die Umsetzung des Modells bedingt 19.000 zusätzliche Stellen. Die Idee einer 4-Tage-Woche mit 32 Stunden stößt auf Zustimmung, doch besonders bei Einsatzkräften wie Polizei und Feuerwehr stellt sich die Frage: Woher sollen die zusätzlichen Mitarbeiter kommen? Die Finanzierung und Umsetzung dieses Vorhabens bleiben eine Herausforderung, die es zu bewältigen gilt.
Reduzierung der Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst ist wünschenswert – Doch wo sollen die erforderlichen 19.000 Stellen herkommen? Modell von Wedel muss als erstes umgesetzt werden
Die Grünen in Hamburg haben mit ihrem Vorschlag, bei vollem Lohnausgleich die Wochenarbeitszeit auf vier Tage und 32 Stunden kürzlich im Grunde genommen eine Forderung nach einer Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst und den öffentlichen Unternehmen um 20 Prozent erhoben. Diese Initiative wurde im Rahmen eines Antrags zur „Zukunft der Wirtschaft in Hamburg“ von den Grünen vorgelegt. Der konkrete Vorschlag beinhaltet die Einführung einer 4-Tage-Woche mit 32 Wochenstunden in einem kleineren öffentlichen Unternehmen und einer freiwilligen Fachbehörde. Fraglich bleibt hier, warum eine Fachbehörde ausgewählt werden soll und kein Schichtbetrieb bspw. bei der Polizei, der Feuerwehr oder im Justizvollzug. Der Antrag wurde von den Mitgliedern der Grünen einstimmig beschlossen und soll zunächst in Pilotprojekten mit den Personalräten getestet werden, um bei erfolgreicher Evaluation eine breite Akzeptanz für dieses Modell zu erreichen.
Die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung ist kein neues Thema. Gewerkschaften haben bspw. seit Jahren die Reduzierung der Wochenarbeitszeit der Bundesbeamten von 41 Stunden auf 39 Stunden gefordert. Im aktuellen Gesetzentwurf zur Besoldungsanpassung im Bund teilt die Ampel-Regierung mit, dass die Rückführung der wöchentlichen Arbeitszeit vor dem Hintergrund der schwierigen Personalgewinnung und der angespannten Haushaltslage nicht möglich ist (siehe Anlage). Die Grünen im Bund sehen keinen Spielraum für die Senkung um zwei Wochenarbeitsstunden und in Hamburg spricht man von einer Senkung um acht Stunden.
Sollte der Senat tatsächlich der Forderung der Hamburger Grünen nachkommen und die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 32 Stunden reduzieren, ergäbe sich in Hamburg allein bei 77.969 Beschäftigten im öffentlichen Dienst nach Berechnungsgrundlage der Bundesregierung ein Ausfall von 623.752 Arbeitsstunden pro Woche. Dies würde zusätzliche 19.492.25 Stellen und Kosten von 779,6 Millionen Euro bedeuten. (Antwort 22, zur Berechnungsgrundlage https://dserver.bundestag.de/btd/19/077/1907774.pdf)
Insbesondere Einsatzkräfte wie Feuerwehr, Polizei und Mitarbeiter im Schichtsystem können nicht einfach weniger arbeiten, da ihre Arbeit rund um die Uhr erforderlich ist. Die Schichten müssen besetzt werden, um die Sicherheit der Bevölkerung gleichermaßen zu gewährleisten. Daher müssten tausende zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden, um die entfallenden Arbeitsstunden zu kompensieren. Dies stellt nicht nur ein Problem im Hinblick auf den Fachkräftemangel dar, sondern es ist auch sehr fraglich, wie das in Anbetracht der knappen Kassen finanziert werden soll.
Der Vorschlag der Grünen hat zweifellos seinen Charme. Eine Arbeitszeitverkürzung könnte den Krankenstand verringern, die Attraktivität als Arbeitgeber steigern und die Mitarbeiterzufriedenheit verbessern. Allerdings stellt sich die Frage, wie eine solche Maßnahme finanziert werden soll und woher die zusätzlichen Mitarbeiter kommen sollen. Die Ausbildungsstätten sind bereits überlastet, und die öffentliche Verwaltung befindet sich mitten in einer Pensionierungs- und Rentenwelle. Auch der Vorschlag, den Piloten bei einer Fachbehörde einzurichten, zeigt deutlich, dass man sich hier die Rosinen herauspicken möchte. Schließlich ist die Umsetzung im Schichtsystem deutlich schwieriger als in einer Fachbehörde.
Falls die Grünen der Ansicht sind, dass Hamburg über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügt, könnte man stattdessen erwägen, allen Beschäftigten der Stadt eine Gehaltserhöhung von 20 Prozent zu gewähren. Dadurch könnten die Beschäftigten selbst entscheiden, ob sie lieber weniger arbeiten möchten oder endlich über ein angemessenes Einkommen verfügen, sodass ein Zweitjob nicht mehr notwendig ist. Schließlich müssen immer mehr Staatsdiener einen Nebenjob nachkommen, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dadurch würde kein erhebliches Defizit bei Polizei, Feuerwehr und Justiz entstehen.
Ein Beispiel dafür, wie eine Arbeitszeitflexibilisierung ohne das Erfordernis zusätzlicher Mitarbeiter umgesetzt werden könnte, bietet die Stadt Wedel. Die derzeitigen 438 Mitarbeiter der Stadt arbeiten in Vollzeit 40 Stunden pro Woche. Bei einer Umstellung auf eine Viertagewoche sollen die wöchentliche Arbeitszeit und das Gehalt gleichbleiben, jedoch können sich die Verwaltungsmitarbeiter, die sich für diese Option entscheiden, ihre Stunden auf vier statt fünf Tage verteilen.
Aus den oben genannten Gründen sollte das Modell von Wedel der erste Schritt sein, damit die Beschäftigten endlich mehr freie Tage und eine höhere Flexibilisierung im Sinne der Work-Life-Balance haben. Hier muss der Senat endlich liefern.
Solange die Grünen Abgeordneten im Bund eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit für Beamte von 41 auf 39 Stunden mit zu hohen Kosten blockieren, solange kann in Hamburg kein grüner Abgeordneter die Mär erzählen, dass eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 32 Stunden kostenneutral erfolgen kann.
Berechnungsgrundlage:
Nach dem aktuellen Personabericht: Zum Stichtag 31. Dezember 2022 haben 77.969 Menschen für die Stadt gearbeitet
Antwort 22, zur Berechnungsgrundlage https://dserver.bundestag.de/btd/19/077/1907774.pdf
77.969 Beschäftigte mal acht Stunden gleich 623.752 Ausfallstunden.
Diese Stundenanzahl geteilt durch 32 (neue regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit) ergibt einen zusätzlichen Bedarf von 19.492.25 Beschäftigte.
Ausgehend von einer durchschnittlichen A10-Besoldung (ca. 40 000 Euro im Jahr) ergibt dies einen Kostenfaktor von 779.690.000 Mio. Euro pro Jahr mit entsprechenden Folgen für die Versorgungsverpflichtungen