Senat setzt bei Straßenbäumen auf außereuropäische Arten, diese Neophyten können zum Problem werden – Intensivere Bewässerung von heimischen Bäumen die Lösung?
In Hamburg werden nicht nur zu wenige Bäume im Verhältnis zu Fällungen von Straßen- und Privatbäumen nachgepflanzt – sondern immer öfter auch die falschen.
Während es eine reichhaltige Auswahl von europäischen Bäumen gibt, werden künftig immer mehr amerikanische und asiatische Baumarten das Stadtbild prägen.
Das kann zum Problem werden, da die Samen dieser Bäume hochmobil sind und auch in Naturschutzgebiete eindringen, wo sie heimische Arten verdrängen.
Heimische Arten sind stets zu bevorzugen – Arten, mit denen die Insekten, Vögel, Spinnen und Kleinsäuger etwas anfangen können. Eine Eiche beherbergt ca. 500 Insektenarten, eine Linde ca. 200 und ein Ginkgo nur etwa ca. 10 Insektenarten. Es wird deutlich, wie wichtig die Auswahl der Baumsorte für die Biodiversität ist.
Die Stadt Hamburg setzt bei der Auswahl von Straßenbaumarten auf verschiedenste Kriterien und sieht sich durch den GALK e. V. (Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz) und dessen Positionspapier in Bezug auf nicht-heimische Arten und dessen Straßenbaumliste bestätigt. Dies wurde durch meine Anfrage 22/2160 offengelegt.
Die Kriterien zur Auswahl geeigneter Bäume müssen sich unbestritten verstärkt auf den Klimawandel ausrichten. Fehler der Vergangenheit dürfen nicht wiederholt werden. So sollten bspw. keine Arten mehr gewählt werden, deren Wurzeln den Bürgersteig anheben. Straßenbäume müssen künftig mit höheren Temperaturen, milderen Wintern, weniger Niederschlag und mehr Extremwetterereignissen zurechtkommen. So manch lokal-heimische Art wird sich darauf nicht oder nicht schnell genug einstellen können.
Zugleich sollen Arten pflegeleicht sein, eine hohe Biodiversität ermöglichen (Insekten, Vögel, Kleinsäuger, Pilze, Flechten, Spinnentiere usw.) und Widerstandskraft gegenüber Hundeurin und Nährstoffmangel, Streusalz und Schadgasen, z. B. Autoabgase, aufweisen.
Straßenbäume sind sehr hohen Beanspruchungen ausgesetzt. Die richtige Auswahl ist entscheidend, schließlich sollen sie mehrere Jahrzehnte alt werden. Ihre hohe Wohlfahrtswirkung mit ihrer Luftfilterung, Sauerstofferzeugung, Nahrung und Unterschlupf für Tiere, Schattenbildung und Luftkühlung erreichen sie auch erst nach Jahrzehnten. Da sollten sie natürlich nicht vorzeitig krank werden und absterben.
Für Naturschutzorganisationen wie auch für mich zeichnet sich jedoch ein großes Problem ab: Diese Neophyten haben in unserer Flora und Fauna nichts zu suchen. Sie breiten sich früher oder später in andere Gebiete aus, z. B. Naturschutzgebiete, Parks, Wälder und außerstädtische Gebiete, und verdrängen damit heimische Arten, stören den heimischen Naturkreislauf. Dieses Risiko sollten wir nicht auf uns nehmen. Wenngleich die Auswahlkriterien in Bezug auf den Klimawandel richtig sind.
Es ist zu befürchten, dass nicht-einheimische Arten langfristig die einheimischen in Hamburg verdrängen könnten. Probleme, die mitunter zur Auswahl exotischer Baumarten führen, könnten in den nächsten Jahren weniger als angenommen auftreten und sich so einige Auswahlkriterien als nicht zielführend herausstellen. Selbiges gilt für Büsche und Zierpflanzen.
So werden Straßenbäume schon jetzt auch an ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber Streusalz und Abgasen gemessen. Doch es sind wie zuletzt viel mildere Winter abzusehen, bei denen kaum mehr Streusalz eingesetzt werden wird. Abgase werden aufgrund der weitgehenden Ablösung des Verbrennungsmotors vom Elektromotor wahrscheinlich auch sehr viel weniger auftreten.
Zu befürchten ist, dass sich die Verwaltung die Pflege vom urbanen Grün kostengünstiger gestalten will und eher exotische, dafür aber pflegeleichte Bäume und andere Pflanzen, mit der Begründung ihrer hervorragenden Eigenschaften, anpflanzen wird. Damit würden einheimische Gehölze verdrängt werden.
Natürlich sollten die Kosten im Blick gehalten werden, doch nicht um den höheren Preis der Biodiversitätsverringerung. Auch die Partei „Die Grünen“ hat sich in der Vergangenheit immer für mehr Biodiversität eingesetzt. Doch nun müssen auch Taten folgen. Blühwiesen lassen sich in der Öffentlichkeit gewiss besser verkaufen als schnödes Straßenbegleitgrün oder Straßenbäume. Doch auch diese sind wichtig.
Es ist auch davon auszugehen, dass die Pflege und Wässerung der Straßenbäume unzureichend ist, insbesondere in Trockenphasen unserer zuletzt heißen und niederschlagsarmen Sommer. Insbesondere in die Wässerung muss mehr investiert werden – damit Hamburg nicht noch mehr Straßenbäume verliert und diese dann gegen hitze- und wasserarmutsresistentere, eventuell invasive Arten (für viel Geld) ausgetauscht werden.
Hier muss ein besseres Konzept zur Bewässerung der Straßenbäume her. Daneben muss ständig an den lokalen Bedingungen für die Straßenbäume gearbeitet werden. So wird eine bessere Regenwasserspeicherung im Boden erreicht, indem in unmittelbarer Umgebung auf Versiegelung verzichtet wird, Baumscheiben größer gestaltet werden oder auch wasserspeicherndes Substrat an Baumstandorten verwendet wird.
Interessant ist ein Schreiben von Prof. Dr. Wolfgang Nentwig von der Universität Bern bezüglich des Stadtbaumkonzeptes der Stadt Jena. Dieses Konzept wirft ähnliche Fragen auf wie das Hamburger Konzept. Ich wurde von einem Naturschutzverband darauf aufmerksam gemacht.
Laut Herrn Nentwig sollten wir und zuerst von der emotionalen Debatte um „heimisch“ und „nicht-heimisch“ nicht beirren lassen. Vielmehr geht es um europäische gegen außereuropäische Arten. Stadtbäume sollten seiner Ansicht nach grundsätzlich europäischer Natur sein. Weitere hervorzuhebende Kriterien sollten auch eine regionale Produktion der Bäume sowie bestenfalls die Auswahl von Wildarten statt Zuchtformen sein.
Sehr interessant wird es, wenn der Professor von der Kritik spricht, die z. B. mediterrane oder in Süddeutschland beheimatete Baumsorten ausgesetzt sind, wenn sie in nördlicheren Gefilden angepflanzt werden. Dies sei ein normaler Vorgang, Süddeutschland und Norddeutschland wie auch z. B. Griechenland oder Italien befinden sich letztlich in derselben Klimazone. Diese Arten breiten sich, wenn auch langsam, sowieso Richtung Norden aus.
Stadtbaumarten können seiner Ansicht nach also durchaus südlicheren Gefilden entstammen, ohne dass dies per se ein Problem darstellen würde. Invasive Arten sollten allerdings auf jeden Fall verhindert werden, auch wenn man bei ihnen erst nach langer Zeit von „invasiv“ sprechen kann, das wäre ein langwieriger Prozess.
Invasive Arten nach einer gewissen Zeit als „neuheimisch“ zu bezeichnen, entspräche nicht dem deutschen Gesetz und wäre kontraproduktiv. Zu bedenken gibt der Professor, dass Privatleute, die Landwirtschaft und Betriebe auch Verantwortung trügen, keine invasiven Arten in den heimischen Naturraum einzubringen. Kontrolliert oder reguliert wird dies jedoch nicht. Als anzupflanzende Bäume schlägt er vor, ausschließlich auf europäische Arten zurückzugreifen.
Wir haben in Deutschland schon Erfahrungen mit dem Ausbreitungungspotenzial von Neophyten, z. B. der Robinie (schwarze Liste der Neophyten), der Roteiche (durchsetzungsstark, sollte daher nicht bedenkenlos gepflanzt werden), dem Götterbaum oder dem Essigbaum.
Auch aufgrund dieser Erfahrungen hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit 2012 einen „Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze“ herausgegeben. Auf Seite 12 ist dort zu lesen: „Auch im Straßenbegleitgrün sollten in keinem Fall gebietsfremde invasive Gehölze verwendet werden.“
Wir dürfen uns in Hamburg das Leben nicht zu leicht machen und nicht-europäische Gewächse in zu hoher Relation zu europäischen bzw. heimischen pflanzen. Jahrzehnte später können diese nicht-europäischen Arten fatale Auswirkungen haben. Heimische Arten sind stets zu bevorzugen – Arten, mit denen die Insekten, Vögel, Spinnen und Kleinsäuger etwas anfangen können. Zugleich müssen wir in Hamburg schnellstens Bäume nachpflanzen, die in den letzten Jahren verloren gegangen sind. Die nächsten Hitzesommer kommen mit Sicherheit.
Kommentar schreiben