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Glasfaserausbau stockt: Senats-Deal mit Willy.tel keine überzeugende Lösung

Die Entscheidung des Hamburger Senats, 88 Millionen Euro in eine Beteiligung an Willy.tel zu investieren, vernachlässigt die dringend benötigte Förderung für unterversorgte Gebiete, da Willy.tel bereits angekündigt hat, wirtschaftlich unattraktive ländliche Regionen nicht auszubauen. Ein Förderprogramm hätte gezielt den Glasfaserausbau in diesen Regionen beschleunigt, während die Beteiligung vor allem wirtschaftlich attraktive Gebiete stärkt. Zudem gefährdet die Beteiligung die schlanke, agile Struktur von Willy.tel durch bürokratische Hürden und längere Entscheidungswege.

Die Stadt Hamburg hat entschieden, 88 Millionen Euro in eine Beteiligung an dem erfolgreichen, familiengeführten Telekommunikationsanbieter Willy.tel zu investieren, um den Glasfaserausbau voranzutreiben. Willy.tel hat sich in den letzten Jahren durch seinen schlanken, agilen Aufbau und schnelle Entscheidungsfindung einen Namen gemacht und bereits große Erfolge beim Glasfaserausbau erzielt. Doch nun, mit der Stadt Hamburg als Teilhaber, wird sich die Struktur des Unternehmens fundamental verändern – und nicht zum Besseren.

Durch die Beteiligung muss Willy.tel künftig an die HGV (Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement) berichten, was die bisher schnelle und unbürokratische Entscheidungsfindung erheblich verlangsamen könnte. Hinzu kommt, dass die Stadt einen zusätzlichen Geschäftsführer stellen wird, was die Prozesse weiter verkomplizieren und die Abstimmungswege verlängern wird. Entscheidungen, die zuvor rasch getroffen wurden, müssen jetzt durch zusätzliche Gremien und Instanzen, was die Flexibilität des Unternehmens massiv einschränken könnte. Dieser Bürokratieaufwand wird eine der Stärken von Willy.tel – seine Schnelligkeit und Agilität – ernsthaft gefährden.

Doch das größte Problem liegt woanders: Die Investition in Willy.tel fokussiert sich auf bereits wirtschaftlich erschließbare Gebiete, während strukturschwache und ländliche Regionen weiterhin vernachlässigt werden. Genau dort, wo der Glasfaserausbau am dringendsten benötigt wird, bleibt die Stadt untätig. Der Senat hat zwar vage angekündigt, dass ergänzende Förderprogramme „in Erwägung gezogen“ werden, aber es bleibt vollkommen unklar, wann und wie diese umgesetzt werden sollen. Statt die 88 Millionen Euro direkt in ein solches Förderprogramm zu investieren und damit gezielt die unwirtschaftlichen Gebiete zu erschließen, hat sich die Stadt entschieden, das Geld in eine Beteiligung zu stecken, die vor allem bereits profitable Regionen stärkt.

Ein Förderprogramm hätte den Glasfaserausbau genau dort beschleunigt, wo er bisher aus wirtschaftlichen Gründen nicht stattfindet – in Randgebieten und ländlichen Stadtteilen. Mehrere Anbieter hätten sich um diese Förderung bewerben können, und derjenige, der mit der geringsten staatlichen Unterstützung die strukturschwachen Gebiete erschließen kann, hätte den Zuschlag erhalten. Diese Art der Ausschreibung hätte nicht nur den Wettbewerb angeheizt und für innovative Lösungen gesorgt, sondern auch die Versorgungslücke schneller geschlossen. Stattdessen setzt der Senat auf ein Modell, bei dem die Stadt Anteile an Willy.tel erwirbt – und das Risiko eingeht, dass die unterversorgten Regionen weiter auf schnelle Internetverbindungen warten müssen.

Zwar argumentiert der Senat, dass mit der Beteiligung an Willy.tel ein Vermögenswert für die Stadt geschaffen wird, während bei einem Förderprogramm das Geld „weg“ ist. Doch dieser Ansatz greift zu kurz. Ein Förderprogramm hätte kurzfristig die dringend notwendige Infrastruktur bereitgestellt und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt gesichert. Die Beteiligung an einem einzigen Unternehmen mag der Stadt einen finanziellen Rückfluss ermöglichen, aber das löst das Grundproblem nicht: Die unwirtschaftlichen Gebiete bleiben weiterhin auf der Strecke.

Willy.tel ist ohne Zweifel ein hervorragendes Unternehmen, das in den letzten Jahren bemerkenswerte Erfolge erzielt hat. Doch die Entscheidung, 88 Millionen Euro in eine Beteiligung zu stecken, anstatt die ländlichen und strukturschwachen Regionen gezielt zu fördern, ist ein strategischer Fehler. Mit der Stadt Hamburg als Teilhaber wird nicht nur die Flexibilität und Schnelligkeit von Willy.tel leiden, sondern auch der dringend notwendige Ausbau in den peripheren Stadtteilen verzögert. Eine echte Chance wurde hier vertan, die Digitalisierung in Hamburg flächendeckend voranzubringen.

Das Geld wäre in einem Förderprogramm besser aufgehoben gewesen. So hätte die Stadt sicherstellen können, dass auch die unterversorgten Regionen endlich von einer modernen Glasfaserinfrastruktur profitieren – anstatt sich auf eine Beteiligung zu verlassen, die nur den bereits wirtschaftlich attraktiven Gebieten zugutekommt.

 

Hintergrund:

Gemäß der Gigabitstrategie der Bundesregierung sollen bis 2025 mindestens 50 % aller Haushalte einen Glasfaseranschluss aufweisen und bis 2030 eine flächendeckende Glasfaserversorgung erreicht sein.

Hamburg steht im Vergleich als Stadtstaat besser da als die anderen Bundesländer. Nach Angaben des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) und der Bundesnetzagentur ist Hamburg mit einer Glasfaser-Versorgung von 44,2 Prozent führend unter den Ländern sowohl bei der Versorgung mit gigabitfähigen Anschlüssen als auch mit Glasfaseranschlüssen (siehe Breitbandatlas Stand Oktober 2022).

Jedoch unterscheidet sich die Versorgung zwischen den Stadtteilen deutlich. Bei den Haushalten weist der Bezirk Wandsbek nur eine Versorgung von Wandsbek von 34,11 Prozent auf. Hingegen ist der Bezirk Hamburg-Nord bereits mit 60,01 Prozent aller Haushalten versorgt. Bei den Unternehmen ist der Unterschied noch größer hier sind im Bezirk Bergedorf lediglich 28,64 Prozent angeschlossen, wobei der Bezirk Hamburg Mitte eine Quote von 59,98 Prozent aufweist (22-11201).

Es zeigt deutlich, dass Hamburg noch einen erheblichen Nachholbedarf beim Glasfaserausbau aufweist. Schließlich sollen 2025 mindestens 50 % aller Haushalte einen Glasfaseranschluss aufweisen und bis 2030 eine flächendeckende Glasfaserversorgung erreicht sein.

Einen Meilensteinkonzept zur Erreichung der Ziele hat der Senat bisher nicht ausgearbeitet. Die Versorgung mit Telekommunikationsinfrastruktur soll in einem wettbewerbsorientierten, eigen-wirtschaftlichen Marktumfeld erfolgen. Der Glasfaserausbau in Hamburg wird weiter aktiv von hier tätigen Telekommunikationsunternehmen (TKU) vorangetrieben. Ob und inwieweit der flächendeckende Ausbau durch ein weitergehendes Engagement der Stadt vorangetrieben werden kann, ist Gegenstand andauernder Prüfungen. Leider wurde nicht weiter definiert, wann die Prüfungen abgeschlossen sein sollen.

Weiter führt der Senat aus, dass auch wenn der Ausbau mit Breitbandinfrastrukturen grundsätzlich über den privaten Markt erfolgen soll, können dort, wo der Ausbau für die TKU langfristig nicht rentabel ist und dementsprechend kein eigenwirtschaftlicher Ausbau erfolgt, Versorgungslücken mit einer für heutige Standards angemessenen Internetzugangsleistung entstehen. Dies betrifft vor allem Gebiete in Deutschland mit geringer Bevölkerungsdichte und schwierigen topographischen Bedingungen. Für diese Gebiete sind auch aus der Sicht des Senat Förderprogramme erforderlich.

Im Rahmen einer flächendeckenden Versorgung sollen aus der Sicht des Senats auch die wenigen verbleibenden „Weißen Flecken“ im Laufe dieses Jahrzehnts technologieneutral Zugang zu schnellem Internet erhalten.

Der Senat muss unterstützend eingreifen, damit endlich alle Haushalte und Unternehmen Glasfaser nutzen können. Es werden heutzutage immer schnellere Verbindungen benötigt. Nur so ist unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig. Da darf der Ausbau nicht stocken.

 

Hintergrund

Die Branchenbetreuung der in Hamburg aktiven Telekommunikationsunternehmen und die administrative Betreuung des laufenden „Weiße Flecken“-Förderprogramms erfolgt in der Behörde für Kultur und Medien. (22-10012)

In der FHH haben nach Angaben des Bundes jeweils über 99 % der zu versorgenden Haushalte und Unternehmen Zugang zu einem Breitbandnetz mit einer Download-Geschwindigkeit von mindestens 100 Mbit/s. Dies entspricht den Kriterien der EU-Beihilfeleitlinien für sogenannte ultraschnelle Festnetz-Breitbanddienste.

Zudem verfügen in Hamburg sämtliche Grundschulen, weiterführende und berufsbildende Schulen über einen Zugang zu ultraschnellen Festnetz-Breitbanddiensten. (22-11201)

 

Nach Angaben des Breitbandatlas des Bundes (Stand Oktober 2022) verfügen derzeit ca. 0,74 % der Haushalte in der FHH über eine Versorgung von unter 30 Mbit/s und gelten damit als „Weiße Flecken“. Es ist davon auszugehen, dass in diesem Datenstand viele der insgesamt 10.000 Haushalte, welche im Rahmen des „Weiße Flecken“-Förderprogramms eine schnelle Internetleitung erhalten haben, noch nicht enthalten sind und sich die Zahl der „Weißen Flecken“ mit dem nächsten Erhebungsstand der Versorgungsdaten weiter reduziert. Die aktuelle Datenlage lässt eine realistische Darstellung auf Stadtteilebene nicht zu. Auf Bezirksebene ist der Anteil an Haushalten unter 30 Mbit/s laut Breitbandatlas folgendermaßen:

 

Versorgung unter 30 Mbit/s

  • Bezirk Hamburg Mitte 0,51 %
  • Bezirk Hamburg Altona 0,34 %
  • Bezirk Hamburg Eimsbüttel 0,12 %
  • Bezirk Hamburg Hamburg-Nord 0,27 %
  • Bezirk Hamburg Wandsbek 0,99 %
  • Bezirk Hamburg Bergedorf 4,10 %
  • Bezirk Hamburg Harburg 0,90 %