Hamburg, das sich stolz als digitaler Vorreiter Deutschlands feiert, muss sich eingestehen: Es gibt noch viel zu tun. Während der Senat sich jüngst als “bestes Bundesland im Bereich Governance & digitale Verwaltung” rühmte, zeigt ein genauerer Blick auf die Zahlen, dass dieser Erfolg relativiert werden muss.
Laut Angaben des Senats sind von den 531 angebotenen Leistungen lediglich 163 vollständig digitalisiert (GA 22/15085, Anlage 1). Das bedeutet, dass nur 30 Prozent aller Leistungen vollständig digitalisiert sind – eine Zahl, die im Vergleich zu Estland, dem weltweiten Vorreiter in Sachen digitale Verwaltung, geradezu bescheiden wirkt. Durch diese unvollständige Umsetzung entstehen unglaubliche 6.396.850 Drucke, und das sind nur die bekannten. Viele Verfahren haben überhaupt keine Kenntnis über die genaue Anzahl (22/14943). Das verwundert auch nicht, da bei 378 weiterhin ein Ausdruck erforderlich ist. Hier ist man noch nicht voll digitalisiert. (GA 22/15085, Anlage 1).
Estland hat sich mit seinem hochmodernen E-Government-System als globaler Maßstab etabliert. Dort sind 99 Prozent aller staatlichen Dienstleistungen online verfügbar – von der Steuererklärung bis zur Stimmabgabe bei Wahlen. Im Gegensatz dazu ist Hamburg mit 30 Prozent noch weit von diesem Standard entfernt.
Trotzdem wird Hamburg oft in den Kategorien digitale Infrastruktur und digitale Verwaltung als führend betrachtet. Doch die Realität zeigt, dass noch erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Die Existenz von fast 500 Faxgeräten in der Verwaltung ist ein symptomatisches Beispiel für diese Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Die Auszeichnung als bestes Bundesland im Bereich Governance & digitale Verwaltung ist zweifellos lobenswert, doch sie wirft auch ein grelles Licht auf die mangelnde Umsetzung der Digitalisierung in Deutschland. Hamburg mag unter den Blinden noch am besten abschneiden, jedoch verbessert das keineswegs die insgesamt unzureichende Umsetzung.
Es ist an der Zeit, dass Hamburg aus seinem digitalen Dornröschenschlaf erwacht und seinen Ruf als führendes Bundesland im Bereich Governance & digitale Verwaltung wirklich verdient. Dies erfordert jedoch mehr als oberflächliche Maßnahmen. Eine umfassende Modernisierung der Verwaltungsstrukturen hin zu einer nahtlosen digitalen Erfahrung für die Bürgerinnen und Bürger ist unumgänglich.
Die Zukunft gehört den digitalen Pionieren, denjenigen, die mutig genug sind, die Herausforderungen anzunehmen und die Chancen der digitalen Revolution zu nutzen. Hamburg hat das Potenzial, ein solcher Vorreiter zu sein, aber es muss sich ernsthaft der Aufgabe der Digitalisierung stellen. Denn in der heutigen Welt reicht es nicht aus, einfach nur der Beste unter den Blinden zu sein – wir müssen auch wahrhaftig sehen können.
Die CDU Hamburg hat sich der Thematik angenommen und ein Digitalkonzept erstellt.
https://cduhh.de/digitalstrategie/
Dazu Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Fraktion: „Der Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom hat Hamburg wiederholt als ‚bestes Bundesland im Bereich Governance & digitale Verwaltung‘ ausgezeichnet. Das ist aus Sicht unserer Stadt natürlich erfreulich, aber im internationalen Vergleich, insbesondere mit Ländern wie Estland, wird dieser vermeintliche Erfolg deutlich relativiert. Um tatsächlich digitaler Vorreiter zu sein, muss der Hamburger Senat die Digitalisierung beschleunigen und unsere Stadt sich an den führenden Ländern bei der Digitalisierung orientieren, anstatt uns ausschließlich mit anderen deutschen Bundesländern zu vergleichen. Denn hier ist Hamburg höchstens der Mittelmäßige oder am wenigsten Schlechte.
In Estland sind nahezu alle Dienstleistungen digital verfügbar, während in Hamburg erst die Hälfte erreicht ist. Unser Ziel ist es, sämtliche städtische Dienste digital bereitzustellen, um Abläufe zu optimieren, die Wirtschaft anzukurbeln und den Bürgerinnen und Bürgern unnötige Wartezeiten zu ersparen – wie zum Beispiel bei der Ausstellung von Geburtsurkunden, mit einer Wartezeit von derzeit 8 bis 12 Wochen. Wir verfolgen das Ziel einer effizienten, bürgernahen und digital fortschrittlichen Verwaltung. In unserem Konzept sind klare Richtlinien definiert, um Bürger und Unternehmen aktiv in den Transformationsprozess einzubinden und sicherzustellen, dass niemand auf dem Weg zu einer vollständig digitalisierten Stadt außen vor bleibt. Unser Anspruch muss sein, dass Hamburg bei der Digitalisierung zur Spitze Europas gehört.“
Dazu Sandro Kappe, Fachsprecher Digitales der CDU-Fraktion: „Auf dem Heimweg erneut vor einer unbekannten Baustelle stehen oder wieder nach Benutzername und Passwort für städtische Dienste suchen? Warum ist das in unserer Stadt im Jahr 2024 immer noch so? Mit unserem Digitalkonzept werden wir als CDU-Fraktion das ändern. Durch die Einführung eines digitalen Portals für alle öffentlichen Einrichtungen können zudem zahlreiche Passwörter eingespart werden und die Services schnell und unkompliziert genutzt werden. Zukünftig sollen sämtliche Baustellen der Stadt stets minuten-aktuell online verfügbar sein. Wir setzen uns entschieden für die weitere Digitalisierung Hamburgs ein. Dies betrifft nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Förderung der digitalen Wirtschaft und den Ausbau der entsprechenden Infrastruktur. Obwohl Hamburg sich gerne als fortschrittlich und zukunftsorientiert präsentiert, bleibt die Realität der Digitalisierung hinter diesem Selbstbild zurück. Hamburg hat bisher das Potenzial der Digitalisierung für Bürger, Unternehmen und Verwaltung nicht ausgeschöpft. Unser Konzept präsentiert konkrete Maßnahmen, um die Verwaltung effizienter zu gestalten, die Digitalwirtschaft zu stärken und die Infrastruktur durch den Einsatz neuer Technologien zu verbessern.“