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Gastbeitrag: Warum sind 30er Zonen wichtig?

Deutschlandweit ist der Nutzen von 30er-Zonen umstritten. Die einen sind dafür die anderen dagegen. Michael Prokoph angestellt bei bussgeldkataloge.de teilt im folgenden seiner Einstellung dazu mit. Was ist Ihre Meinung zu dem Beitrag?

„Wer in den vergangenen Jahren öfter mal durch Wohngebiete oder kleine Ortschaften gefahren ist, dem dürfte der sogenannte Tempo-Smiley aufgefallen sein. Er wird von den Verkehrsbehörden inzwischen bevorzugt in 30er-Zonen aufgestellt, um Autofahrer auf ihre tatsächliche Fahrgeschwindigkeit aufmerksam zu machen und sie zur Einhaltung des Tempolimits anzuhalten. Doch wozu dienen Tempo-30-Zonen eigentlich und warum sind sie wichtig?

Langsam, aber sicher – 30er-Zonen und Verkehrssicherheit

Unter 30er-Zonen oder Tempo-30-Zonen versteht man Verkehrszonen, in denen die Geschwindigkeitsbegrenzung bei Tempo 30 und damit annähernd Schrittgeschwindigkeit liegt. Die Betonung liegt auf annähernd, denn das tatsächliche Schritttempo wird gemeinhin noch wesentlich niedriger, bei etwa 5 bis 15 km/h anberaumt.

Dass sich Fahrzeuge in bestimmten Verkehrsbereichen dem Schritttempo von Personen annähern müssen, ist vor allem mit Blick auf die Unfallvermeidung wichtig. Ein Auto, das bei hoher Geschwindigkeit unterwegs ist, hat einen längeren Bremsweg und kann im Ernstfall oft nicht mehr rechtzeitig zum Stehen kommen. Zum Vergleich:

  • Bremsweg bei Tempo 30: 9 m (4,5 m bei Gefahrenbremsung)
  • Bremsweg bei Tempo 50: 25 m (12,5 m bei Gefahrenbremsung)
  • Bremsweg bei Tempo 100: 100 m (50 m bei Gefahrenbremsung)

Ein potenzieller Aufprall gestaltet sich bei rasantem Tempo ebenfalls schwerer, da die Wucht des aufprallenden Autos intensiver ist. Gerade in Verkehrszonen mit hohem Fußgängeraufkommen kann dies zu mitunter tödlichen Unfällen führen. Zu entsprechenden Risikozonen gehören allen voran:

  • Wohngebiete
  • Fußgängerzonen
  • Schulen
  • Spielplätze
  • Einkaufspassagen
  • Baustellen

Das Risiko verzögerter Reaktionszeiten

Laut Aussagen des ADAC zur Berechnung des Bremsweges beträgt die Reaktionszeit von Autofahrern vor dem Bremsen zwischen 0,8 bis 1,2 Sekunden. Je schneller das Tempo, desto tödlicher kann diese natürliche Reaktionsverzögerung ausfallen.

Das Unfallrisiko wird hier insbesondere im näheren Umkreis von Schulen und Spielplätzen zusätzlich erhöht. Schließlich laufen Kinder nur zu gerne einmal unbedacht auf die Straße. In diesem Zusammenhang kann ein schnelleres Tempo im Verkehr auch die Wahrnehmung unvorhergesehener Gefahrenquellen erschweren.

Das gilt nicht nur für kindlichen Leichtsinn, sondern beispielsweise auch für Transportpersonal und Umzugshelfer in Wohngebieten, Arbeiter von Straßenbaustellen oder ältere Fußgänger. Ähnlich sieht es bei Straßenabschnitten mit starkem Wildwechsel aus. Die Gefahr ein Tier anzufahren ist bei hoher Geschwindigkeit deutlich größer, was nicht Wildtiere ebenso betrifft wie Haustiere (v.a. Katzen) in Wohngebieten.

Tipp: Landstraßen mit Wildwechsel sind zwar nur selten als Tempo-30-Zonen definiert, jedoch ist es bei entsprechender Kennzeichnung ebenfalls empfehlenswert, das Tempo zumindest auf 70 bis 80 km/h zu reduzieren, um Wildunfälle zu vermeiden.

30er-Zonen als Lärmschutzgebiete

Die Relation zwischen Wohnqualität und Verkehrslärm ist kein Geheimnis. Ein beliebtes Beispiel sind diesbezüglich Motorradfahrer, die ihre Maschine in Wohngebieten bei starker Beschleunigung “brennen lassen” und somit einen ohrenbetäubenden Lärm verursachen. Doch auch Autos sind lauter, wenn sie schneller fahren.

Wer an einer belebten Straße wohnt, kennt beide Fallbeispiele nur allzu gut. In vielen Wohngebieten versucht man deshalb, das Lärmaufkommen durch Tempolimits zu beschränken. Und auch in manchen ländlichen Naturräumen ist eine Tempobegrenzung zur Lärmreduzierung in Kraft, um dort lebende Wildtiere nicht zu verstören.

Tempo 30 und Umweltschutz

Als weiteres Argument für 30er-Zonen wird insbesondere mit Blick auf den Klimawandel häufig der CO₂-Ausstoß genannt. Auf Autobahnen macht ein Tempolimit zur Reduzierung von Autoabgasen auch durchaus Sinn. Bei Tempo-30-Zonen sieht die Sache etwas anders aus. So kam eine neuere Studie des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg 2021 zu dem Ergebnis, dass der CO³-Ausstoß bei Langstreckenfahrten mit Tempo 30 höher ist als etwa mit Tempo 50.

Nun beinhalten Tempo-30-Zonen aber in der Regel räumlich begrenzte Kurzstrecken. Hier kann die Tempobeschränkung tatsächlich zu einer Abgasreduktion beitragen. Wird ein Auto in einer 30er-Zone beispielsweise aus dem Stand auf Tempo 30 statt auf Tempo 50 beschleunigt, etwa an einer Kreuzung oder nach dem Halt an einem Zebrastreifen, sind die Emissionen um ganze zwei Drittel reduziert.

Zudem sollen 30er-Zonen auch eine umweltfreundliche Fortbewegung motivieren. Indem sie langsameren und klimafreundlicheren Verkehrsalternativen wie Fußverkehr, Radverkehr oder öffentlichen Verkehrsmitteln Priorität einräumen, schaffen sie in Städten Raum für CO₂-arme Verkehrslösungen. Dadurch entstehen verkehrsberuhigte Zonen mit insgesamt besserem Klimaprofil.

 

50er-Zone oder 30er-Zone – Was ist sinnvoller?

Neben dem Verkehrsmodell der dauerhaften 30er-Zone gibt es vielerorts auch Zwischenlösungen. In entsprechenden Zonen ist tagsüber 50 km/h erlaubt und nur während der Nacht- und frühen Morgenstunden eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h gegeben.

Auch halten sich die Bußgelder für eine Geschwindigkeitsüberschreitung in 30er-Zonen bis Tempo 50 noch in Grenzen. Meist beträgt das Bußgeld nur 70 bis 98 Euro. Ein Führerscheinentzug oder Punkte in Flensburg drohen bei Erstverstößen gewöhnlich nicht.

Bleibt die Frage, ob es bei diesen geringen Konsequenzen nicht sinnvoller wäre, nicht gleich alle 30er- in 50er-Zonen umzuwandeln oder umgekehrt. In Anbetracht bereits erwähnter Gesichtspunkte wäre da sicherlich die Umwandlung von Tempo-50- in Tempo-30-Zonen empfehlenswerter.

Immerhin käme es bei einer großzügigeren Geschwindigkeitsbeschränkung recht schnell auch zu großzügigeren Geschwindigkeitsüberschreitungen, was den Zweck des Tempolimits in Sachen reduzierter Unfallgefahr verfehlen würde. Klimafreundlicher wäre die Umkehrlösung auch nicht. Die geringen Unterschiede in der Fahrzeit wären mit nur 2 Minuten pro 5 km zu verschmerzen, zumal die wenigsten 30er-Zonen Strecken dieser Länge aufweisen.

 

Quellen: