Der Hamburger Senat hat sich mit seiner Initiative zum Bürokratieabbau ehrgeizige Ziele gesetzt: Digitalisierung vorantreiben, Prozesse vereinfachen und Bürger sowie Unternehmen entlasten. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass viele dieser Versprechen mehr Schein als Substanz haben. Die Antworten des Senats auf eine Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 22/16720) offenbaren erhebliche Schwächen in Planung, Umsetzung und Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen.
Verspätete Maßnahmen und fehlende Fortschritte
Der Senat rühmt sich, über 80 Maßnahmen zur Entlastung der Bürger und Unternehmen beschlossen zu haben. Doch die Realität sieht anders aus. Viele Projekte, wie die dringend benötigte Digitalisierung von Genehmigungsverfahren im Baurecht 24oder die Novellierung der Hamburgischen Bauordnung, werden erst 2026 oder noch später wirksam. Diese Verzögerungen werfen die Frage auf, ob der Senat überhaupt in der Lage ist, die Bürokratie wirksam und zeitnah abzubauen.
Besonders bedenklich ist der Zustand bei der Digitalisierung der Postbearbeitung in den Bezirksämtern. Statt die Prozesse zu vereinfachen, wird die Post erst im Bezirksamt sortiert, per Auto zur Kasse Hamburg transportiert, dort digitalisiert und schließlich wieder zurückgesandt. Der Senat verspricht, ab 2025 Effizienzsteigerungen zu prüfen – eine offensichtliche Ausrede für mangelnden Fortschritt.
Abhängigkeit von Bundes- und EU-Recht: Bequeme Ausflüchte
Immer wieder verweist der Senat auf die Hürden durch Regelungen auf Bundes- und EU-Ebene. Doch wie aktiv Hamburg tatsächlich auf diesen Ebenen agiert, bleibt unklar. Der Senat hebt zwar Initiativen wie die Mitwirkung am sogenannten Vergabetransformationspaket hervor, konkrete Ergebnisse oder Rückmeldungen liegen jedoch nicht vor. Der Eindruck drängt sich auf, dass Hamburg hier zu wenig Einfluss nimmt und sich lieber hinter externen Faktoren versteckt.
Zaghafte Digitalisierung
Die Digitalisierung wird vom Senat als Schlüssel zum Bürokratieabbau hervorgehoben. Die Antworten auf die Anfrage zeigen jedoch, dass die Fortschritte bislang bestenfalls zögerlich sind. Der Einsatz von Robotic Process Automation (RPA) wird zwar betont, doch konkrete Zahlen zu Effizienzgewinnen fehlen. Ebenso bleibt unklar, warum KI nicht stärker genutzt wird, etwa zur automatisierten Bearbeitung von Steuererklärungen oder Baugenehmigungen.
Auch die angekündigte Einführung weiterer E-Payment-Möglichkeiten und digitaler Verwaltungsdienste erfolgt nur schleppend. Bis Ende 2026 soll die digitale Personalakte in der Verwaltung vollständig verfügbar sein – ein Zeitrahmen, der angesichts des dringend benötigten Modernisierungsbedarfs völlig unzureichend erscheint.
Mangelnde Bürgerbeteiligung
Ein weiterer Kritikpunkt ist die unzureichende Einbindung der Bürgerinnen und Bürger. Obwohl der Senat auf bestehende Feedbackmöglichkeiten verweist, bleiben diese oft wenig sichtbar und ineffektiv. Plattformen, die Bürger aktiv in den Prozess des Bürokratieabbaus einbinden könnten, fehlen fast völlig. Dies widerspricht dem Anspruch, Bürokratieabbau bürgernah und transparent zu gestalten.
Nachhaltigkeit bleibt eine Floskel
Der Senat betont, dass die Maßnahmen langfristig wirken sollen, doch wie diese Nachhaltigkeit sichergestellt werden soll, bleibt offen. Digitale Projekte werden häufig mit hohen Wartungs- und Anpassungskosten verbunden sein – ein Punkt, den der Senat in seinen Antworten ignoriert.
Fazit: Große Ankündigungen, wenig Umsetzung
Die Schriftliche Kleine Anfrage zeigt, dass der Hamburger Senat beim Bürokratieabbau hinter den eigenen Ansprüchen zurückbleibt. Vieles, was als Erfolg verkauft wird, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Stückwerk oder Zukunftsmusik. Statt messbarer Fortschritte liefert der Senat vor allem Versprechen und Ausflüchte. Bürger und Unternehmen, die auf eine spürbare Entlastung hoffen, werden weiterhin enttäuscht.
Der Senat ist aufgefordert, ambitionierter und effizienter vorzugehen. Insbesondere sollten:
- Konkrete Zeitpläne mit verbindlichen Meilensteinen veröffentlicht werden.
- Bürgerforen und Plattformen zur Partizipation stärker beworben und genutzt werden.
- Digitalisierungsprojekte priorisiert und beschleunigt werden.
- Messbare Erfolge durch Kennzahlen und Berichte belegt werden.
Ohne diese Schritte bleibt der Bürokratieabbau eine unerfüllte Hoffnung – und Hamburg verliert wertvolle Zeit im Wettlauf um eine moderne, bürgerfreundliche Verwaltung.